Redebeitrag der Roten Hilfe – Kundgebung 24.02 –

Liebe Anwesende und liebe Genoss:innen,

ich grüße euch im Namen der Roten Hilfe Berlin. Leider können wir heute selbst vor Ort nicht da sein. Vielen Dank für das Verlesen unseres Beitrags. Heute haben sich Menschen hier versammelt, um gegen die menschenunwürdigen Zustände im Krankenhaus des Maßregelvollzugs in Berlin zu protestieren.
Wenn hier beispielsweise von “Überbelegung” gesprochen wird, dann meinen wir nicht eine einmalige kurzzeitige Überlastung des Maßregelvollzugs. Nein, das ist ein jahrelanger Dauerzustand, nicht nur hier in Berlin. Selbst die Verantwortlichen sprechen von menschenunwürdigen Zuständen. Es fehlen Therapien, Beschäftigungsangebote, aber auch alleine nur Rückzugs und vor allem eigene Räume. Die Unterfinanzierung und Ausstattung des Maßregelvollzugs ist aber nur die Spitze des Eisberges. Das eigentliche Problem ist doch, wie schnell Menschen im Maßregelvollzug landen können. Wie sehr Menschen in Krisen und mit bestimmten Verhaltensweisen nur sehr begrenzt stationäre alternativen oder gar ambulante präventive Maßnahmen nutzen können, weil auch an diesen Projekten und Einrichtungen gekürzt wird. Neben sehr individuellen Gründen, werden aber auch viele Menschen in unserer Gesellschaft teils in persönliche Krisen gedrängt, sei es zum Beispiel durch das Stigmatisieren von Konsum, das Tabuisieren familiärer Gewalt, die ökonomische Unsicherheiten, einer kriminalisierten Migrationsgeschichte und, oder durch die immer wiederkehrende Verdrängung aus öffentlichen Plätzen durch Polizei und Securitys.
Das gesundheitliche und seelische Wohlbefinden vieler leidet an der Ungleichheit und der Ausbeutung die auch vom Staat, auf unterschiedlichster Weise, ermöglicht wird.
Ein wichtiges Instrument dafür ist die staatliche Repression. Repression hat viele Formen und Gesichter. Die Freiheitsberaubung ist eine der einschlägigsten davon.

Der Maßregelvollzug ist eine Freiheitsberaubende Maßnahme und somit sind die Betroffenen und Patient:innen von Repression, Willkür und Machtmissbrauch ausgesetzt.
Es braucht nicht mehr Betten im Maßregelvollzug, sondern weniger Insass:innen. Viel zu oft werden psychisch erkrankt geltende Menschen jahrelang, ohne Perspektive auf eine Freilassung weggesperrt. So eine Perspektivlosigkeit verstärkt oft die Krisen und, oder Verhaltensweisen, an denen im Maßregelvollzug eigentlich gearbeitet werden sollen.
Es braucht zugängliche breitgefächerte Beratungsangebote, viele präventive Maßnahmen in Formen von Kursen, Therapien oder Gruppenangeboten. Auch stationäre Alternativen müssen gefördert werden. Vor allem in einer Großstadt wie in Berlin, gibt es unterschiedliche Ideen und Umsetzungen dafür, die aber immer wieder um ihre materielle Existenz bangen müssen, oder nur sehr begrenzte Kapazitäten haben.
Doch müssen wir uns auch davor hüten, unsere gesellschaftlichen Probleme nur mit mehr sozialarbeiterischem Angebot lösen zu wollen.

Denn Soziale Arbeit im Auftrag für den Staat, ohne eigene politische und ethische Grundhaltung, hat die Möglichkeit und übt auch sehr viel repressive Gewalt gegenüber den Betroffenen aus. Vor allem in Zwangskontexten. Nicht selten berichten zum Beispiel Gefangene in Knästen, wie sehr die Sozialarbeiter:innen ihnen das Leben dort erschweren, Jugendlichen wie sie in stationäre Einrichtungen von willkürlichen Maßnahmen betroffen sind oder aber auch, Patient:innen im Krankenhaus Maßregelvollzug wie sie körperlichen und verbalen Übergriffe durch das Personal ausgesetzt sind.
Sozialarbeiter:innen, Therapeut:innen und andere haben zwar keine Knüppel, aber sind an anderer Stelle mit sehr viel Macht ausgestattet.

Die jetzigen Zustände im Maßregelvollzug und vor allem die Proteste dagegen, wie auch hier diese Kundgebung, decken den Machtmissbrauch auf und fordern wahrhaftige Veränderungen. Und genau darum müsste es eigentlich bei den sozialen Angeboten gehen. Um eine wirkliche Verbesserung der Lebensumstände aller. Dafür braucht es aber auch gesellschaftliche Veränderungen, die weder Ungleichheiten, noch Ausbeutungen begünstigen. Solche Veränderungen kommen aber nie von oben, sondern müssen und werden von unten getragen werden.
Für uns als linke strömungsübergreifende Solidaritätsstruktur ist klar, dass solche emanzipatorische Bemühungen oft mit Repression bekämpft werden.
Lassen wir uns daher nicht spalten und sind trotz, oder vielleicht auch gerade wegen unsere Unterschiede, solidarisch zueinander. Niemand, der für wirkliche Veränderungen Repression erfährt, sollte damit alleine gelassen werden.

Nochmal vielen Dank, an alle die hier sind, vor allem an die Gruppe von Patient:innen des KMVs und deren Unterstützer*innen und Angehörige, die heute diese Kundgebung möglich gemacht haben.