Redebeitrag einer Angehörigen [2] – 24.2.2024

Ich möchte diesen Redebeitrag mit einigen Zitaten beginnen. Zitaten von Patient*innen:

„Ich verliere hier von Tag zu Tag immer mehr das Gefühl ein Mensch zu sein.“

„Ich möchte nur noch Tod sein. Aber ich habe Angst das ich zu früh gefunden werde und wieder in Isolation komme.“

„Das hier ist kein Krankenhaus, sondern ein Krankmachhaus.“

„Wir sind hier völlig vergessen. Es ist allen egal was mit uns hier passiert.“

„Wenn die Pflegekräfte gerade arbeiten dürfen wir sie nichts fragen oder telefonieren. Sie sagen immer nein und jeden Antrag den wir stellen lehnen sie ab.“

„Wir werden hier nur weggesperrt und mit Medikamenten ruhig gestellt. Die meisten hier sind nicht mal mehr in der Lage sich gegen diese Bedingungen zu wehren.“

und mit Zitaten von Angehörigen:

„Immer wieder muss ich denken, wäre sie Tod, wäre sie an einem besseren, an einem sichereren Ort.“

„Die Medikamente wurden viel zu hoch dosiert. Medikamente gegen die Nebenwirkungen der Psychopharmaka nicht verordnet. Erst nach mehreren Beschwerden änderte sich dies. Ich frage mich was dort mit den Patient*innen passiert, die keine Angehörigen haben die sich beschweren?“

„Der Umgang mit den Patient*innen ist untragbar. Vor allem bei der Einweisung. Als wolle man es den Patient*innen schwerer machen sich einzufinden. Es passieren Dinge die nicht rechtens sein können. Gegen die man sich wehren möchte, aber nicht kann. Zum Schutz seiner Lieben und die Inhaftieren können dies aus Angst auch nicht ansprechen.“

„Er verkümmert dort. Ich frage mich wie er noch Lebensfähig sein soll, wenn er entlassen wird.“

„Die Ärztin sagte mir, ich solle doch froh sein das meine Tochter solange in Isolation sei. Die Situation auf Station sei so, das meine Tochter sie vermutlich gar nicht aushalten könne.“

Die Situation im Berliner Krankenhaus des Maßregelvollzugs ist katastrophal. Menschen die aufgrund ihrer Erkrankung oder ihrer Medikation unter motorischer Unruhe, Schlafstörungen, geringer Stresstoleranz und Reizüberflutung leiden. Die ein erhöhtes Bedürfnis nach Ruhe und oder einen stärkeren Bewegungsdrang haben werden zu dritt manchmal sogar zu fünft zusammen in ein Zimmer gequetscht. Beschäftigungsangebote und Therapien finden kaum statt, weil es an Personal fehlt. Die Menschen sind auf engstem Raum zusammen gesperrt und sich selbst überlassen. Das Fehlen an Beschäftigungs- oder Therapeutischen angeboten wird von vielen Patient*innen als das belastendste beschrieben. Sie sind so auf sich zurück geworfen und können es nicht mehr schaffen sich aus ihren negativen Gedanken zu befreien. Reagieren Menschen auf diese Bedingungen mit Aggression, Suzidalität oder Selbstverletzung werden sie in Isolation gesperrt. Gleichzeitig verlieren sie damit auch ihre Chance auf eine Entlassung. Denn eine Chance auf Entlassung besteht für sie nur bei Wohlverhalten und widerspruchsloser Medikamenten Einnahme. Doch seien wir ehrlich. Sind diese Verhaltensweisen nicht sogar eine gesunde Reaktion auf die unmenschlichen Bedingungen und häufig die einzigen Bewältigungsstrategien die den Betroffenen bleiben? Die Ohnmacht, Fremdbestimmung und Gewalt die die Patient*innen erleben sind häufig traumatisierend, in jedem Fall schädlich und tragen nicht zu einer Stabilisierung oder Genesung bei. Wir stehen da und müssen hilflos zusehen wie sich der Zustand unserer Angehörigen immer weiter verschlechtert, wir müssen zusehen wie sich sich aufgeben, immer weniger ansprechbar sind, wie sie verzweifeln oder völlig apathisch werden. Wie die Aussicht irgendwann nochmal ein normales Leben zu führen immer mehr verschwindet. Wie wir si immer mehr verlieren.

Aber es gibt ja einen Grund, warum unsere Angehörigen dort sind. Und dieser Grund scheint alles was dort mit Ihnen passiert rechtfertigen zu können….
Ich möchte nicht die Taten bagatellisieren für die unsere Angehörigen im Maßregelvollzug untergebracht wurden. Es ist immer eine absolute Katastrophe wenn Menschen zu Schaden kommen. Ich denke aber das viele der Taten hätten verhindert werden können, wenn unsere Angehörigen vor der Tat ausreichende und die richtige Unterstützung erhalten hätten.
Unsere Angehörigen sind im Maßregelvollzug. Weil sie in einer Krisensituation auf ein unterfinanziertes, überlastetes Hilfesystem getroffen sind, das ihnen kein Angebot machen konnte. Weil sie jahrelang auf Wartelisten für Hilfsangebote vergammelt sind. weil sie in einem Moment in dem Sie Hilfe gebraucht hätten auf eine Psychiatrie gestoßen sind in der Gewalt und Zwang auch heute noch an der Tagesordnung sind. Weil es immer noch zu wenige alternative Angebote in akuten Krisen zu Zwangseinweisungen und Zwangsbehandlungen gibt. Weil der § 126 StPO eine vorläufige Unterbringung für Menschen die als psychisch erkrankt gelten ermöglicht, für Delikte, für die als Schuldfähig geltendende Menschen niemals in U- Haft kämen. Weil Ihnen das Recht verwehrt wird, nach dem Verbüßen einer Freiheitsstrafe, wieder entlassen zu werden. Stattdessen dürfen sie weggesperrt werden, bis sie krankheitseinsichtig und gebrochen genug sind das ein*e Gutachter*in ihnen eine positive Entlassungsprognose ausstellt.

Mit dem Blick auf die menschenunwürdige Zustände im Maßregelvollzug ist es naheliegend nun mehr Personal, eine Personalgewinnungsstrategie, eine bessere räumliche Ausstattung für das KMV zu fordern. Kurzfristig ist dies wohl auch die einzige Möglichkeit um die Situation für unsere Angehörigen zu verbessern. Die wirkliche Lösung kann jedoch nur eine ausreichende, individuelle, gewaltfreie psychiatrische und anti- psychatrische Unterstützung von Menschen mit Behinderungen, Erkrankungen, von Menschen in Krisensituationen sein. Eine wirkliche Entlastung des Maßregelvollzugs wird nicht durch die Schaffung von immer mehr Plätzen erreicht, nur durch eine Prävention die Aufnahmen verhindert. Benachteiligung und Diskriminierung aufgrund von Krankheiten oder Behinderung müssen endlich ein Ende haben. Die Grundrechte und Bedürfnisse die auch Menschen im Maßregelvollzug haben müssen gewahrt und berücksichtigt werden. Es ist ermutigend zu sehen wie viele Menschen sich aktuell an den Protesten gegen den Rechtsruck beteiligen. Aber schauen wir auch nicht weiter weg und stehen dagegen auf, wenn Menschen aufgrund von Krankheit oder Behinderung ihrer Grundrechte beraubt werden. Auch hier muss es Nie wieder heißen. Und auch hier ist Nie wieder jetzt.