Bremer Studie zur Rückkehr in den Pflegeberuf

Ist die Forderung nach einem verbindlichen Personalschlüssel sinnvoll, wenn es keine Pflegekräfte gibt, die eingestellt werden könnten? 

Die Bremer Studie “Ich pflege wieder, wenn…” (03.02.2021) untersucht, wie groß das Potenzial bei ausgestiegenen sowie Teilzeit-Pflegekräften ist, in den Beruf zurückzukehren bzw. die Stundenanzahl zu erhöhen. Das zentrale Ergebnis sei vorweggenommen: es besteht (wenig überraschend) ein hohes Potenzial, bereits ausgebildete Pflegekräfte für den Beruf zurückzugewinnen. Wo liegt also das Problem?

In der Studie wurden ca. 1000 Pflegekräfte aus Bremen und Umgebung per Online-Fragebogen gefragt, ob eine Rückkehr in den Pflegeberuf für sie in Frage kommt und welche Bedingungen dafür erfüllt werden müssten. Bei den Befragten handelt es sich um Teilzeitbeschäftigte sowie aus dem Beruf ausgestiegene Pflegekräfte, die in der ambulanten sowie (teil-)stationären Langzeitpflege tätig sind/waren. Das Potenzial ist groß: mehr als 60% halten eine Rückkehr für eher bis sehr wahrscheinlich. Auch unter 50% der Teilzeitpflegekräften besteht die Bereitschaft, ihre Stunden möglicherweise aufzustocken. Hochrechnungen auf Grundlage dieser Studie (nur in Bezug auf die Teilzeitkräfte, da keine Zahl an ausgestiegenen Pflegekräften bekannt ist) ergeben Schätzungen zwischen 92.000 und 170.000 Vollzeitkräften, die so mehr zur Verfügung stehen würden – allerdings nur unter bestimmten Bedingungen. Nicht nur in Anbetracht des weiter steigenden Mangels an Pflegepersonal ist die Frage, wie diese Bedingungen umgesetzt werden können, mehr als berechtigt; bereits jetzt ist eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen nur mit einer zugrunde liegenden Erhöhung des Pflegepersonals möglich.

Als Bedingung für eine Rückkehr steht an erster Stelle die fehlende Anerkennung und Wertschätzung vor allem durch die Vorgesetzten. Etwa drei Viertel der Befragten ist mehr Zeit für qualitativ hochwertige Pflege wichtig, ca. 70% fordern eine bedarfsorientierte Personalbemessung. Ebenfalls eine wichtige Rolle spielen eine Tarifbindung, mehr Zeit für menschliche Zuwendung und ein höheres Grundgehalt vor allem bei den unter 35-Jährigen.

Die Studie zeigt einmal mehr, was schon lang bewusst sein sollte: Es gibt ausgebildete Pflegefachkräfte, die bereit sind, in ihren erlernten Beruf zurück zu kehren. Der bewusste Stellenabbau zur Kosteneinsparung verursachte schlechtere Arbeitsbedingungen, die wiederum mehr Pflegepersonal aus dem Beruf vertrieben. Pflegekräfte aus anderen Ländern anzuwerben, um unseren steigenden Pflegebedarf decken zu können, kann keine Lösung sein. Schließlich gibt es auch in diesen Ländern pflegebedürftige Menschen – das Abwerben, wie Gesundheitsminister Jens Spahn es praktiziert, kann einerseits unser Problem nicht allein lösen und verschiebt den Mangel andererseits nur in andere Länder.

Für eine gesicherte Gesundheitsversorgung und Pflege für alle braucht es zu allererst vernünftige Arbeitsbedingungen, die es den ausgebildeten Pflegekräften ermöglichen, wieder mit Freude in ihren Beruf zurückzuhkehren. Daher fordern wir:

    • Bezahlte Zeit für gute Pflege und menschliche Zuwendung durch Pflegekräfte statt Minutenpflege, Zersplitterung der Aufgaben und Deprofessionalisierung!
    • Verbesserung der Gesundheitsausbildung und der Arbeitsbedingungen für Gesundheitsprofessionelle weltweit statt Abwerbung von Fachkräften und Illegalisierung von Pflegekräften in privaten Haushalten!
    • Selbstbestimmung für alle Gesundheitsberufe statt Fremdbestimmung und hierarchischer Arbeitsteilung!
    • Gesunde Lebensbedingungen statt Ausbeutung bis zum Burn-Out!

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